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Fragen von Zuschauer:innen – Teil 142

Dürfen Leinsamen nicht roh verzehrt werden? Auf (fast) alle Fragen rund um den Haushalt hat Hauswirtschaftsmeisterin und TV-Moderatorin Yvonne Willicks eine Antwort.

Yvonne Willicks

Dürfen Leinsamen nicht roh verzehrt werden?

Hannelore ist verunsichert. Sie isst gerne Leinsamen und hat neulich einen Warnhinweis auf ihrer angebrochenen Packung entdeckt. Sie schreibt: „Mit Verblüffung 🙁 habe ich, erst heute, auf dem oberen Rand der Verpackung die sehr kleine Schrift gelesen: “Nur zum Kochen und Backen geeignet. Nicht roh verzehren.” Abgesehen davon, dass die halbe Portion aus dem Tütchen von mir für meine individuelle Müslimischung roh verzehrt wurde, verunsichert mich so ein Hinweis doch sehr. So dass ich es nicht mehr kaufen werde. Warum ist dieser Hinweis pauschal auf Tüten aufgedruckt?“

Warum steht ein Warnhinweis auf Leinsamen?

Liebe Hannelore, Deine Frage ist wirklich spannend. Ich musste mich erst mal selber schlau machen. In Leinsamen sind – ähnlich wie in bitteren Aprikosenkernen oder Bittermandeln – cyanogene Glykoside enthalten. Aus diesen kann beim Zerkleinern Blausäure freigesetzt werden. Und Blausäure ist – wie wir alle spätestens seit Agatha Christie wissen – giftig. Zu viel Blausäure kann zu Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Atemnot und Schwindel, in schweren Fällen sogar zu Koma oder Tod führen. Aber keine Panik, Blausäure verflüchtigt sich durch Erhitzen – da reicht schon eine Temperatur von über 26 Grad.

EU schützt vor Überdosierung

Eine EU-Verordnung hat zum Schutz der Verbraucher daher Grenzwerte festgelegt. Diese liegen bei einen Höchstgehalt von 150 Milligramm Blausäure pro Kilogramm Leinsamen. Bei höheren Konzentrationen ist seit Januar 2023 ein gut lesbarer Warnhinweis auf der Verpackung verpflichtend. Mit dem Hinweis darf der Gehalt bei 250 Milligramm pro Kilogramm liegen. Nun unterliegt der Gehalt von Blausäure in Leinsamen – wie bei Rohware üblich – natürlichen Schwankungen. Die verschiedenen Chargen auf den Gehalt an Blausäure zu testen, ist vermutlich aufwändiger als gleich alle Verpackungen mit einer entsprechenden Kennzeichnung zu versehen. Daher steht auf vielen Verpackungen mit ganzen und geschroteten Samen: „Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!“

Verbraucherzentrale bemängelt Kennzeichnung von Leinsamen

Zu der Kennzeichnung mit dem Warnhinweis hat die Verbraucherzentrale Hessen erst kürzlich einen Marktcheck durchgeführt. Den findet Ihr hier.

Wie viel Leinsamen ist gesund?

Heißt das nun, dass Leinsamen doch nicht so gesund sind, wie man allgemein annimmt? Nein, das heißt es nicht! Die kleinen Kraftpakete haben nachweislich einen hohen gesundheitlichen Nutzen, aber eben nur, wenn sie in Maßen verzehrt werden. Maximal 15 Gramm (circa 2 Esslöffel) rohe Leinsamen pro Mahlzeit pro Erwachsenen sind unbedenklich, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung in einer Humanstudie herausgefunden.

Mehr dazu und auch den Link zur Studie findet Ihr hier.

Für Kinder ab 4 Jahren wird eine Verzehrmenge von höchstens 4 Gramm bzw. ein Teelöffel Leinsamen am Tag empfohlen. Jüngere Kinder sollten keine geschroteten Leinsamen essen.

Blausäure-Gehalt in Leinsamen variiert

Die Zeitschrift Ökotest hat im Januar 2025 allerdings einen eher durchwachsenen Leinsamen-Test durchgeführt. In allen überprüften Produkten hat das Labor Blausäure nachgewiesen – das war zu erwarten gewesen. Die Gehalte unterschieden sich jedoch deutlich. In mehr als Dreiviertel der Produkte (14 von 19) wurden die vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten. Es wurden im Übrigen auch Mineralölbestandteile, Pestizide und Cadmium in den Samen nachgewiesen.

Den ganzen Test könnt Ihr hier nachlesen.

Leinsamen – heimisches Superfood für Herz und Hirn

Leinsamen gehören zu den Ölsaaten, das sind Samen, aus denen Pflanzenöl gewonnen wird. Sie gelten als regionales Superfood, vergleichbar mit Chia-Samen, nur deutlich preisgünstiger und viel nachhaltiger, da sie regional angebaut werden. Sie bestehen zu einem Viertel aus Ballaststoffen, einem Viertel aus Eiweiß und bis zur Hälfte aus Omega-3-Fettsäuren, vor allem aus Öl-, Linol- und Linolensäure. Sie enthalten außerdem Magnesium, Eisen, Zink, Kalium sowie Vitamin B1, B6 und E und eine Menge sekundärer Pflanzenstoffe. Wegen der Schleimstoffe in den Schalen sind sie eine gute Verdauungshilfe. Wichtig für den Verzehr: Immer reichlich trinken. Ohne ausreichende Flüssigkeit können die aufquellenden Samen im Darm zu Verstopfungen führen. Ganze Leinsamen wirken weniger intensiv als geschrotete.

Mehr zum Thema Leinsamen findet Ihr bei der Landeszentrale für Ernährung Baden-Württemberg: https://lern-bw.de/,Lde/startseite/wissen/leinsamen-kleine-samen-grosse-wirkung

Eure Yvonne

Foto von Vie Studio auf pexels