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Neuer Trend A2-Milch – Was ist dran an der „Urmilch“?

A2-Milch erobert die Kühlregale im Supermarkt. Die „Urmilch“ wird als besonders verträglich und besonderes gesund beworben. Was ist dran an dem Hype um A2-Milch? Ist sie tatsächlich gesünder als normale Milch? Und was ist überhaupt der Unterschied? TV-Moderatorin und Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks mit allem, was man über A2-Milch wissen muss.

Yvonne Willicks

Habt Ihr sie auch schon im Supermarkt gesehen? A2-Milch oder „Urmilch“ oder „Wohlfühlmilch“? Seit neuestem stehen sie in den Kühlregalen neben den anderen Milchsorten. A2-Milch soll bekömmlicher und gesünder sein als normale Kuhmilch, so versprechen es die Hersteller. Der Trend kommt aus Übersee. Vor allem in Neuseeland und Australien wird die A2-Milch schon seit rund 20 Jahren erfolgreich vermarktet. Dort hat sie sogar einen höheren Markanteil als Bio-Milch. (Quelle: www.agrarheute.com) Aber auch in den USA, in Österreich und den Niederlanden ist die A2-Milch schon etabliert.

Was ist überhaupt A2-Milch?

Ob eine Kuh A2-Milch gibt, hängt von ihren Genen ab. Nur eine Blutprobe kann darüber Aufschluss geben. Nur Kühe mit Genotyp A2/A2 produzieren die angebliche „Urmilch“. Weitverbreitet ist das bei altertümlichen Kuhrassen wie Jersey, Brown Swiss oder Guernsey-Rinder, aber auch normales Fleckvieh oder Holsteiner Rinder können A2/A2-Genotypen sein.

Wie zum Beispiel hier:

https://www.br.de/nachrichten/bayern/fuer-a2-milch-deubacher-landwirt-bekommt-ceres-award,Rf84Uq3

Der dazugehörige TV-Beitrag: https://www.br.de/mediathek/video/ceres-award-wohlfuehlmilch-aus-schwaben-av:5da6e8927c69d4001a35cdd3

Kühe mit dem Genotyp A2/A1 geben ein Gemisch aus A2- und A1-Milch. (Eine B-Variante gibt es im Übrigen auch noch.) Landwirte, die reine A2-Milch verkaufen wollen, müssen also zunächst ihre Tiere testen und dann deren Milch getrennt melken und abfüllen. Nachzuchten für A2-Milchbetriebe gestalten sich schwieriger als bei Haltern, die nicht auf das Erbgut ihrer Tiere achten müssen. Das alles ist teuer und schlägt sich im Preis für das Endprodukt nieder.

Was ist der Unterschied zwischen A1-Milch und A2-Milch?

Der Unterschied zwischen der Milch der reinen A2-Genotypen und der gemischten Varianten liegt in der Zusammensetzung des Eiweißanteils, genauer des Milcheiweiß Beta-Kasein. Dieser kleine Unterschied soll dafür verantwortlich sein, dass die A2-Milch besser verträglich ist. Geschmacklich unterscheiden sich die Sorten nicht.

Ist Milch gesund? Milchkonsum in der Kritik

Milchkonsum ist in den letzten Jahren stark in die Kritik geraten. Kuhmilch macht angeblich krank, dick und verursacht Allergien, Autismus, Diabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Krebs, heißt es. Viele vegane Alternativen haben sich erfolgreich am Markt behauptet. Die Milchindustrie steht also unter Druck.

Ein Faktencheck zum Milchkonsum findet Ihr bei den Kollegen von Quarks:

https://www.quarks.de/gesundheit/darum-ist-milch-nicht-giftig/

Gute Marketingstrategie: A2-Milch ist besser verträglich

Eine „natürlichere“ Milch, die besser verträglich und dazu noch gesünder ist, kommt da gerade recht, um das Image wieder aufzupolieren. Denn bei der A2-Milch soll es sich um eine „urtümliche“ Milch handeln. Im Gegensatz zu „normaler“ Milch enthält A2-Milch ausschließlich A2-Beta-Kasein. Normale Milch enthält auch A1-Beta-Kasein. Und das sei angeblich für viele Menschen nur schwer zu verdauen. Viele Verbraucher, die Milch nicht gut vertragen, würden gar nicht an Laktose-Intoleranz leiden, sondern lediglich Probleme bei der Verdauung von A1-Kasein haben, so die Verfechter der Urmilch. A1- und A2-Milch weisen nämlich den gleichen Laktose-Gehalt auf. Außerdem stehe aus Sicht der A2-Milch-Anhänger A1-Kasein im Verdacht das Risiko von chronischen Krankheiten zu erhöhen – und sei überhaupt erst durch Mutation entstanden. Ergo: A2-Milch ist viel gesünder und besser! Doch so einfach ist es natürlich nicht!

Keine wissenschaftlichen Belege für bessere Verträglichkeit

Das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, das Max Rubener-Institut (MRI), kann das nicht bestätigten. Es hat alle wissenschaftlichen Fakten zu A2-Milch zusammengetragen und eine gesundheitliche Bewertung durchgeführt. Das Ergebnis: Es gibt sehr wenig aussagekräftige Studien, die überhaupt wissenschaftlichen Standards genügen. Und die wenigen, die es gibt, wurden von Vermarktern der A2-Milch finanziell gefördert. Unabhängige Studien fehlen völlig. Wissenschaftlich belegen lässt sich die angeblich bessere Verträglichkeit der A2-Milch also nicht.

Das MRI sieht im Übrigen auch kein erhöhtes Krankheitsrisiko durch den moderaten Verzehr von Milch und Milchprodukten sondern eher das Gegenteil.

Nachzulesen hier: https://www.mri.bund.de/de/aktuelles/meldungen/meldungen-einzelansicht/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=159&cHash=5b72c44999e71b8c79c5ae8002a1c6a8&sword_list%5B0%5D=a2milch

A2-Milch-Studien nicht aussagekräftig

Auch die Wissenschaftler des Kompetenzzentrums für Ernährung des Bayrischen Staatsministeriums für Ernährung haben die Versprechen der A2-Milch unter die Lupe genommen. Und sie kommen zu dem gleichen Ergebnis wie das MRI. Es gibt keine wissenschaftlichen Fakten, die belegen, dass A2-Milch besser/gesunder/bekömmlicher ist als normale Milch. Weitere Humanstudien seien notwendig.

Nachzulesen hier: https://www.vis.bayern.de/ernaehrung/lebensmittelsicherheit/kennzeichnung/a2milch.html

Auch Studien der New Zealand Food Safety Authority und der European Food Safety Authority (EFSA) kommen zu dem gleichen Ergebnis. Sie fanden keine Belege für negative Wirkungen von A1-Milch auf die menschliche Gesundheit. Bislang ist die bessere Bekömmlichkeit von A2-Milch nur eine Marketingstrategie!

Jeder kann für sich selber entscheiden, ob er Milch verzehren möchte oder nicht – und wenn ja, welche. Ich kenne viele Menschen, die Milch nicht gut vertragen. Für sie gibt es gute tierische und pflanzliche Alternativen. Und klar ist auch, dass Milch ein industriell verarbeitetes Produkt ist. Wie zum Beispiel fettarme Milch hergestellt wird, hatte ich schon mal in einem Post geschrieben. Da wird die Milch in ihre Einzelteile zerlegt und wieder neu zusammengemischt. Appetitlich ist das nicht.

Den Post findet Ihr hier: https://www.yvonnewillicks.de/2020/05/01/gibt-es-gute-alt…und-zuckertueten/

Wer es natürlicher mag, der sollte zu Bio-Milch greifen. Sie stammt von Tieren aus besserer Tierhaltung mit viel frischer Luft und ist weniger verarbeitet als konventionelle Milch, am besten ist sie nicht homogenisiert. Wer noch Wert darauf legt, dass Kälber bei ihren Müttern bleiben (und trinken) dürfen, der achtet außerdem auf die muttergebundene Kälberaufzucht. Eine Liste der Höfe findet ihr hier:

https://welttierschutz.org/hofliste-mit-mutter-oder-ammengebundener-kaelberaufzucht/

Eure Yvonne