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Geflügel Teil 1

Routinemäßiges Kükentöten wird in Deutschland ab 2022 verboten! Nach jahrelanger Diskussion ist dann endlich Schluss mit der grausamen Praxis. TV-Moderatorin und Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks über ein überfälliges Verbot und die Verantwortung, die Verbraucher nun tragen.

Yvonne Willicks

Hühnerboom in deutschen Gärten

Ich esse ja sehr gerne Eier, und da wir ja zurzeit einen Bauerngarten anlegen, habe ich schon mal drüber nachgedacht, mir ein paar Hühner zuzulegen. Wie ich der Zeitung entnommen habe, gab es in der Corona-Zeit einen regelrechten Hühner-Boom. Viele Menschen haben Hühnerhaltung im eigenen Garten als Hobby entdeckt. Hühner sind günstig, pflegeleicht, recht unterhaltsam und liefern dazu noch kostenlose Eier. Mit denen kann man eine quasi perfekt zusammenleben. Die industrielle Hühnerhaltung dagegen ist alles andere als perfekt. Zu Ostern hatte ich dazu schon mal einen Blogpost dazu geschrieben.

Den könnt Ihr hier nachlesen:

https://www.yvonnewillicks.de/2019/03/22/osterzeit-ist-eierzeit-als-deko-hefezopf-oder-als-schokovariante/

Große Unterschiede bei Legehennen-Haltung in Deutschland

Hühner in Mast- oder in Legebetrieben werden oft unter sehr schlechten Bedingungen gehalten. Anhand des Erzeugercodes auf den Eiern, kann aber jeder Verbraucher nachvollziehen, wie die Henne lebt, die das Ei gelegt hat. Mehr Transparenz geht eigentlich nicht.

Legehennen-Haltung in Deutschland (mit Erzeugercode)

0 – Biohaltung – mit Auslauf und Sitzstangen ausgestattete Ställe. Sechs Tiere pro Quadratmeter Stall sind erlaubt.

1 – Freilandhaltung – mit Auslauf und Sitzstangen ausgestattete Ställe. Sechs Tiere pro Quadratmeter Stall sind erlaubt.

2 – Bodenhaltung – mit Sitzstangen in offenem Stall, aber ohne Auslauf. Neun Hennen pro Quadratmeter Stall erlaubt.

3 – Kleingruppenhaltung – Sitzstangen in Käfigen. Jede Henne unter 2 kg hat 800 Quadratzentimeter Platz, schwerere Tiere 900 Quadratzentimeter.

Quelle: http://www.deutsche-eier.info/die-henne/haltungsformen/#:~:text=Die%20Tierzahl%20ist%20auf%206,Quadratmeter%20Auslauffl%C3%A4che%20zur%20Verf%C3%BCgung%20stehen.

Die meisten Masthähnchen sehen nie den Himmel

Bei Geflügelfleisch ist es noch etwas schwieriger, herauszufinden wie das Tier gelebt hat, da die Haltungskennzeichnung hier nicht verpflichtend ist, sondern nur freiwillig von einigen Händlern auf ausgewählten Produkten klebt.

Tierhaltungskompass in vier Stufen (Beispiel Lidl)

1 – konventionelle Stallhaltung
2 – 10% mehr Stallfläche und Beschäftigungsmaterialien
3 – noch mehr Platz im Stall und einen Außenklima-Bereich
4 – noch mal deutlich mehr Platz und einer Weide an der frischen Luft

Masthähnchen – speziell für schnellen Muskelfleischaufbau gezüchtet

Masthähnchen leben überwiegend in Großbetrieben mit mehr als 50.000 Plätzen in geschlossenen Ställen mit Einstreu. Auslauf an der frischen Luft kennen nur die Hähnchen auf Biohöfen. Masthähnchen heißen übrigens weibliche und männliche Tiere. Sie sind auf schnelle Gewichtszunahme gezüchtete Hühnerrassen, die viermal schneller wachsen als noch vor 65 Jahren. Innerhalb von 30 Tagen erreichen die Tiere ein Gewicht von etwa 1,5 Kilogramm (Kurzmastreife), in den 1950er Jahren brauchten sie noch rund 120 Tage dafür. Bei der Kurzmast teilen sich 23 Tiere einen Quadratmeter Stallboden, bei der verlängerter Mast (7 Wochen) sind es etwa 16 Tiere pro Quadratmeter. Das ist ganz schön eng, oder?

Quelle: https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaftliche-produkte/wie-werden-unsere-lebensmittel-erzeugt/tierische-produkte/gefluegelfleisch

Hochleistungshennen legen bis zu 320 Eier im Jahr

Legehennen dagegen sind darauf gezüchtet, viele Eier zu legen. Sie setzen nur sehr langsam Muskelfleisch an. Und da bei den Legehennen nur die Weibchen Eier legen, muss die Industrie irgendwie mit den vielen Millionen übrigen männlichen Küken umgehen, die sich weder als Legehenne noch als Masthähnchen vermarkten lassen. Bislang wurden sie vergast oder geschreddert. 50 Millionen im Jahr! Doch damit soll nun endlich Schluss sein. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner will das routinemäßige Kükentöten nach jahrelanger Diskussion in Deutschland verbieten. Ab 2022 dürfen, frisch geschlüpfte männliche Küken nicht mehr getötet werden. Das Geschlecht soll vorher im Ei bestimmt werden, so dass die männlichen Küken gar nicht erst schlüpfen. Ab 2024 muss die Geschlechterbestimmung dann bis zum 7. Bruttag erfolgen, da spätestens dann ein Schmerzempfinden nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Hintergrund Kükentöten

Nach dem Tierschutzgesetz darf keinem Tier „ohne vernünftigen Grund“ Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. 2019 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass der Tierschutz über den wirtschaftlichen Interessen der Legehennen-Züchter steht und erklärte das routinemäßige Kükentöten nur noch für eine Übergangszeit für zulässig.

Tierschutzbund kritisiert lange Übergangszeit

Wie immer bei Kompromissen meckern alle Seiten: Dem deutschen Tierschutzbund ist die Übergangszeit viel zu lang. Die Agrarministerin argumentiert, die Geflügelwirtschaft müsse sich an die neuen Bestimmungen anpassen. Und die fürchtet bereits um ihre Existenz, da Deutschland bei dem Verbot Vorreiter ist und innerhalb der EU das einzige Land, dass das routinemäßige Töten verbietet. Das Verbot bringe somit einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Eier. Denn es dürften weiterhin Produkte von ausländischen Unternehmen importiert werden, die weniger strenge Auflagen haben. Deswegen fordert die Geflügelwirtschaft europäische und globale Standards. Aber mal ehrlich, einer muss doch anfangen, oder? Und wenn es schon Jahre dauert, in Deutschland das Verbot durchzusetzen, wie lange wird es wohl dauern bis sich die EU auf eine gemeinsame Linie einigt? Die Agrarministerin sieht vor allem den Handel in der Verantwortung, sein Sortiment entsprechend umzustellen. Sie spricht von einer Signalwirkung für andere Staaten. Ich hoffe inständig, dass wird auch ankommen, denn der Ausstieg ist längst überfällig. Tiere zu töten, weil ihre Aufzucht wirtschaftlich nicht rentabel ist, finde ich unmoralisch.

Verbraucher haben die Macht – Leute, bitte kauft die guten Eier!

Und nun haben wir es wieder in der Hand, denn wir Verbraucher sind die, die an der Ladentheke über Erfolg und Misserfolg von Produkten oder – wie in diesem Fall – von politischen Vorgaben entscheiden. Für die „guten“ Eier müssen wir etwas tiefer in die Tasche greifen: 1 – 2 Cent pro Ei mehr, dafür dass die Brüder der Legehennen nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen getötet werden. Mir ist das in jedem Fall die 6 – 12 Cent wert, die ich pro Sechserpackung Eier mehr zahlen müsste, falls ich mir doch keine eigenen Hühner zulegen sollte 😊

Eure Yvonne