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EU-Agrarreform

Die EU hat die Zahlungen an die europäischen Bauern reformiert – und eine Chance vertan, die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen, findet Verbraucherjournalisten Yvonne Willicks. Die TV-Moderatorin und Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks sieht nun Verbraucher in der Pflicht.

Yvonne Willicks

Die EU-Agrarreform, eine verpasste Chance

Ich habe wirklich gehofft und lange auf diese Reform hingefiebert. Als Julia Klöckner Bundeslandwirtschaftsministerin wurde, hatte ich eine echte Chance gesehen in Brüssel Druck zu machen, um die Subventionen für deutsche und europäische Bauern gerechter aufzuteilen. Gerechter für kleine bäuerliche Betriebe und gerechter für die Umwelt. Denn bis dato bekommen die Landwirte Europas je nach Fläche Geld aus dem EU-Agrartopf. Das heißt, je größer ein Betrieb, desto mehr Geld floss aus Brüssel. Völlig unabhängig davon, wie und was diese anbauen. Das System ist höchst ungerecht gegenüber kleineren bäuerlichen Betrieben, die ohnehin schon kaum mithalten können, bei den Preisen der Agrarfabriken mit ihren riesigen Massenställen.

Agrarsubventionen sind künftig an Umweltauflagen gebunden

Im Oktober hatten sich zunächst die EU-Agrarminister auf einen milliardenschweren Kompromiss geeinigt. Kurz danach stimmte die Mehrheit der Europaabgeordneten für einen ähnlichen Vorschlag. Beide Papiere treiben Umwelt- und Naturschutzverbänden Tränen in die Augen. Nach dem Willen des europäischen Parlaments sollen zwar künftig 30 Prozent der Direktzahlungen für sogenannte Öko-Regelungen (Eco-Schemes) reserviert werden. (Die EU-Agrarminister hatten dafür nur 20 Prozent vorgesehen.) Diese Öko-Programme sind Umweltmaßnahmen, die über die Pflicht-Anforderungen für Bauern hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt diese Maßnahmen, bekommt er zusätzliches Geld. Doch die Standards für diese Öko-Regelungen sind unkonkret und nach Ansicht des Naturschutzbunds Deutschland viel zu niedrig. Und jetzt kommt’s: Die EU-Staaten selbst dürfen keine höheren nationalen Standards beim Tier- und Umweltschutz ansetzen, damit die Wettbewerbsbedingungen in allen Ländern gleich bleiben. Hm, hier muss ich schwer schlucken. Die Folge wird ein europäischer Unterbietungswettlauf sein …

Nabu: Natur und Klima sind große Verlierer der Abstimmung zur EU-Agrarpolitik

Wir sind ja in Deutschland oft Vorreiter was Verbraucherrechte und Umweltschutz angeht – und das ist uns jetzt verwehrt. Klar, es sollte in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum gemeinsame Regeln geben, aber müssen diese immer auf dem niedrigsten Niveau sein? Ja, heißt es dazu aus Bayern, wo die zuständige Ministerin sich durch die Neuregelung mehr Wettbewerbsgleichheit erhofft. Durch hohe Umweltstandards bei uns hätte es eine „Wettbewerbsverzerrung für die deutschen Landwirte innerhalb Europas“ gegeben. Aber wer, wenn nicht wir, können höhere Anforderungen an Umweltschutz und Tierhaltung stellen – und die Kosten dafür zahlen?

Mich enttäuscht nicht nur der Kompromissvorschlag, sondern vor allem, dass es offenbar keine Vision für die Landwirtschaft der Zukunft gibt. Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, kann doch nicht allen Ernstes Alles gewesen sein …. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament und Biobauer Martin Häusling nennt den Kompromiss in der Frankfurter Rundschau „rückwärtsgewandte Agrarpolitik“, mit der man den Bauern in Europa auf mittlere Sicht keinen Gefallen tue, „denn man bereitet sie nicht auf die aktuellen Herausforderungen der Zukunft vor.“ Einen Kompromiss unter dem Eindruck des Green Deal, den Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen durchsetzen will, hatten sich wohl viele anders vorgestellt

Kompromisse ja, aber faule Kompromisse nein

Klar, Politik braucht Kompromisse und ich bin ja auch nicht so naiv zu glauben, dass jeder Bauer jetzt auf Bio machen sollte. Öko-Landbau erwirtschaftet weniger Erträge. Vermutlich könnte man damit alleine den europäischen Nahrungsmittelbedarf gar nicht decken. Aber der Wandel hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft ist vertan. In dem Papier steht kaum etwas Verbindliches zum Klimaschutz, zur Reduzierung von Pestiziden, zur Artenvielfalt, zu Sanktionen gegen klimaschädliche Landwirtschaft. So bleibt etwa das Brachliegenlassen von landwirtschaftlichen Flächen eine freiwillige Maßnahme. Zur Förderung der Artenvielfalt sollen die Landwirte lediglich „aufgefordert“ werden zehn Prozent ihrer Fläche nicht zu bewirtschaften. Wir sollen es sich bäuerliche Betriebe leisten können, in Zeiten, in denen für Lebensmittel nur noch Minimalpreise gezahlt werden, Flächen ruhen zu lassen? Das ist für viele Landwirte wirtschaftlich schwierig. Da muss aus meiner Sicht der Gesetzgeber ran.

Direktzahlungen sollen gekappt werden

Immerhin sieht der Kompromiss vor, dass die jährlichen Direktzahlungen an die Bauern gekappt werden. Ab 60 000 Euro sollen die Subventionen gekürzt, bei 100.000 Euro eine Obergrenze eingeführt werden. Endlich! Das sind schlechte Nachrichten für die Agrarfabriken und gute Nachrichten für bäuerliche Familienbetriebe. Allerdings hatten Umweltverbände im Vorfeld gefordert, die Direktzahlung komplett an Umweltauflagen zu binden: „Der EU-Agrarrat setzt seine zerstörerische Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne fort“, beklagte nach dem Votum in Brüssel WWF-Vorstand Christoph Heinrich.

Eine echte Besserung hält der Vorschlag des Parlaments aber bereit: Landwirte, die die EU-Anforderungen nicht einhalten, sollen in Zukunft härter bestraft werden. Bis zu zehn Prozent der Ansprüche sollen gekürzt werden dürfen, bisher waren es fünf Prozent. Wenigstens etwas Positives ….

Agrarsubventionen sind der größte Posten im EU-Budget

Der Deutsche Bauernverband, der zum großen Teil konventionell wirtschaftende Landwirte vertritt, ist mit den Grundzügen für die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) weitgehend zufrieden. Bauernpräsident Rukwied lobt: “Der Weg zu einer grüneren Agrarpolitik geht weiter und bringt für die Landwirte neue Herausforderungen, denen wir uns stellen.” Ab 2023 wird die Reform wohl gelten. Für die nächsten sieben Jahre sind dafür rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Deutschland erhält davon rund 42 Milliarden Euro. Die Hilfen für die europäischen Bauern machen damit mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushaltes aus. Das ist der größte Posten im EU-Budget – und für einen großen Teil der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Das sind Steuergelder, die die Natur und das Klima schädigen. Es liegt nun an uns Verbraucher mehr für die bäuerliche Landwirtschaft zu tun. Kauft beim Hofladen, beim Bauern direkt, beim Fleischer etc. – und nicht immer alles beim günstigen Discounter. Wir Verbraucher müssen unsere Landwirte und unsere Natur retten. Die EU macht es nicht.

Eure Yvonne