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Melatonin

Schlafen wie ein Baby – wäre das nicht schön? Die meisten Menschen aber kämpfen zumindest hin und wieder mal mit Schlafstörungen. Schnelle Hilfe versprechen Produkte mit dem Schlafhormon Melatonin. Hauswirtschaftsmeisterin und TV-Moderatorin Yvonne Willicks zu dem neuen Hype.

Yvonne Willicks

Schlafen wie ein Baby – mit Melatonin?

In fast jeder Werbepause am Vorabend wird mittlerweile Werbung für Melatonin, „die sanfte Einschlafhilfe“ gemacht. Und vor ein paar Wochen erzählte dann eine US-Schauspielerin in einem Interview, dass sie ihren Kindern Melatonin-Gummibärchen zum Einschlafen gebe. Das hat mich nun doch etwas überrascht. Zum einen, dass die Einnahme von pharmakologisch wirksamen Produkten in den USA offenbar so selbstverständlich ist, dass sie mit einer solchen Aussage keinen Shitstorm erwartet hat, und zum anderen, wie weit verbreitet Melatonin-Produkte mittlerweile sind. Als Gummibärchen? Echt jetzt?

Was genau ist Melatonin?

Das körpereigene Hormon Melatonin wird in der Zirbeldrüse, einem Teil des Zwischenhirns, produziert. In der Nacht erhöht sich die Produktion. Das Hormon steuert den Tag-Nacht-Rhythmus und ist deswegen als „Schlafhormon“ bekannt. Ein hoher Melatonin-Spiegel hilft einzuschlafen. In der Apotheke wird Melatonin seit rund zwei Jahren als Mund- und Nasenspray oder auch als Kapsel frei verkauft. Auf den Beipackzetteln der Präparate ist eine Tagesdosis von 1 mg. Kurz vor dem Einschlafen empfohlen. Melatonin wird derzeit vor allem als Nahrungsergänzungsmittel gehandelt und kann einen der zwei möglichen Health Claims tragen: „Melatonin trägt zur Linderung der subjektiven Jetlag-Empfindung bei“ oder „Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen“.

Nahrungsergänzungsmittel oder Medikament?

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bewertet melatoninhaltige Produkte aber dosisunabhängig als Arzneimittel. Und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht das so: Melatonin sei eine Substanz mit pharmakologischer Wirkung, daher handele es sich nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel. Eine endgültige Entscheidung darüber, ob Melatonin nur auf Rezept verschrieben werden sollte, ist noch nicht getroffen. Klar ist aber, dass Melatonin eine nachweisbare Wirkung auf den menschlichen Organismus hat.

Melatonin – geringe Wirksamkeit nachweisbar

Studien haben gezeigt, dass bei der Einnahme von Melatonin-Produkten die Einschlafzeit verkürzt wird – um sage und schreibe 10 bis 20 Minuten. Immerhin. Für Menschen, die nachts lange wachliegen, ist das vielleicht eine Erleichterung. Allerdings fehlen Vergleichsstudien von Melatonin zu den üblichen Schlafmitteln und auch Langzeituntersuchungen zu den Präparaten gibt es bislang nicht, da sie erst seit zwei Jahren auf dem Markt sind. Stiftung Warentest kommt daher zu dem Fazit, dass sich bisher nicht sagen lässt, „für wen Melatonin wirklich eine Schlafhilfe sein kann. In jedem Fall sind die zu erwartenden Effekte gering.“

Der ganze Artikel von Stiftung Warentest ist hier nachzulesen:

https://www.test.de/medikamente/wirkstoff/hormon-melatonin-w1094/

Melatonin bei Kindern

Bei Kindern ist der Einsatz umstritten. Kinderärzte raten von der unkritischen Abgabe von Melatonin ab. Ein speziell für Kinder zugelassenes Medikament hat bei kleinen Patienten mit ADHS, Autismus, neurologischen Entwicklungsstörungen oder neuropsychiatrischen Erkrankungen, die unter schwerwiegenden Schlafstörungen leiden, in Studien gute Ergebnisse erzielt, was Einschlafzeit und Schlafdauer betrifft. Diese Ergebnisse lassen sich aber nicht einfach auf gesunde Kinder mit Einschlafschwierigkeiten übertragen. Und von der Verwendung von Arzneimitteln, die keine Zulassung für Kindern haben, raten Kinderärzte dringend ab.

Melatonin nicht grundsätzlich als Schlafmittel empfohlen

Wegen der unklaren Studienlage wird Melatonin also nicht grundsätzlich zur Behandlung von Schlafstörungen empfohlen. Oft liegen die Ursachen dafür aber ohne tiefer als in einem zu niedrigen Hormonspiegel. Stichwörter sind Stress, Überlastung, Sorgen, Angst, Depressionen – und auch eine ungesunde Schlafroutine. Jede, die unter Schlafstörungen leidet, weiß, was ihr den Schlaf raubt. Und natürlich müssen diese Ursachen gelöst werden. Bei mir hatte Melatonin Null-Effekt.

Aber für Menschen, die in Schicht arbeiten oder unter Jetlag leiden oder phasenweise einfach nicht zur Ruhe finden, kann Melatonin ein guter Weg oder zumindest ein Versuch sein, ohne starke Schlafmittel ein bisschen schneller zur Ruhe zu finden. Melatonin-Präparaten gelten als gut verträglich mit wenig Nebenwirkungen. Eine Gefahr, von dem Mittel abhängig zu werden, besteht nach derzeitigem Wissen nicht.

Meine Einschätzung: Für Erwachsene phasenweise okay, als Gummibärchen-Einschlafhilfe für Kinder ein No-Go!

Eure Yvonne

📸 Beitragsbild
Schlafende Frau von Vlada Karpovich auf Pexels