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Machbarkeitsstudie

Alle sind sich einig, dass die Tierhaltung in Deutschland verbessert werden muss. Die Frage ist nur wie, und wer das zahlt. Landwirtschaftsministerin Klöckner hat eine Machbarkeitsstudie zum Umbau der Nutztierhaltung vorgelegt. Höchste Zeit, findet TV-Moderatorin und Hauswirtschaftsmeisterin Yvonne Willicks.

Yvonne Willicks

Mehr Platz, Licht und Luft für unsere Nutztiere

Im März wurde sie endlich vorgelegt, die Machbarkeitsstudie zum Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland. Lange war sie erwartet worden. Schon seit Jahrzehnten mahnen Tierschutz-, Umwelt- und Verbraucherverbände, dass die Haltung von Schweinen, Kühen und Hühnern in Deutschland dringend verbessert werden muss. Es gibt unzählige Initiativen dazu: Fleisch mit dem Tierschutzlabel aus tiergerechterer Haltung gibt es seit 2013 im Handel. Die Fleischindustrie und der Einzelhandel zahlen mit der (umstrittenen) „Initiative Tierwohl“ konventionellen Bauern, die die Bedingungen in ihren Ställen verbessern, einen Extrabonus. Mit einer freiwilligen Haltungskennzeichnung versucht der Handel mehr Transparenz zu schaffen. Und das Landwirtschaftsministerium arbeitet seit Jahren an einem Tierwohllabel. Dennoch ist Fleisch aus guter (oder zumindest besserer) Tierhaltung ein Nischenprodukt geblieben. Warum? Weil es ziemlich teuer ist.

Machbarkeitsstudie zu Tierwohl – jetzt wird es ernst

2015 kam ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik (WBA – Ein Gremium, das das Landwirtschaftsministerium berät.) zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Nutztierhaltung in Deutschland nicht zukunftsfähig ist, und ein radikaler Umbau im Sinne des Tierschutzes nötig sei. Zu dem Thema habe ich schon mehrere Blogbeiträge geschrieben.

Die findet Ihr zum Beispiel hier:

https://www.yvonnewillicks.de/2018/06/19/tierhaltungskennzeichnung-reicht-das-immer-noch-nicht/

https://www.yvonnewillicks.de/2018/07/17/edeka-verramscht-haehnchenschenkel-fuer-15-cent/

https://www.yvonnewillicks.de/2020/09/25/gefluegel-teil-2/

Klar ist, artgerechtere Tierhaltung braucht mehr Platz, mehr Licht, mehr Luft, anderes Futter und mehr Personal. Die Kosten dafür sind enorm, 3 – 4 Milliarden Euro jährlich veranschlagen Experten dafür! Der WBA hat in seinem Gutachten ausgerechnet, was der Systemumbau für einzelne Nutztierarten kosten würde. Die Haltung von Schweinen und Mastrindern würde sich danach etwa um ein Drittel verteuern. Bei Masthühnern wären es rund 15 Prozent mehr. Die Frage ist, wie diese Kosten auf Landwirte, Händler und Verbraucher aufgeteilt werden.

Wie teuer müsste Fleisch aus tiergerechter Haltung sein?

Dem allergrößten Teil der Verbraucher ist es wichtig, wie die Tiere gehalten werden, deren Fleisch oder Milchprodukte sie verzehren. (Dazu gibt es unzählige Umfragen.) Trotzdem greifen die allermeisten im Supermarkt zu Billigfleisch und Billigeiern aus der Massentierhaltung. Traurig aber wahr. In Zukunft werden wir mehr für tierische Produkte zahlen müssen. So wie es derzeit in deutschen Ställen aussieht, kann und wird es nicht weitergehen. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft hat errechnet, wie sich der Preis von Schweinefleisch in den drei Stufen des von der Regierung geplanten Tierwohlkennzeichens verteuern würden: Der Durchschnittspreis für ein Kilogramm Schweineschnitzel von 15 Euro würde sich bei Stufe eins auf 16,65 Euro erhöhen, bei Stufe zwei auf 19,35 Euro und bei Stufe drei auf 20,55 Euro. Nur mal so zur Orientierung, was tiergerechteres Fleisch eigentlich kosten müsste …

Mehr Infos dazu findet Ihr bei den Kollegen von Quarks:

https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/wie-teuer-muesste-fleisch-aus-artgerechter-haltung-sein/

Endlich bessere Haltungsbedingungen für unser Vieh

Seit dem WBA-Gutachten 2015 herrscht Alarmstimmung im Landwirtschaftsministerium, denn die Bauern haben eine mächtige Lobby und wehren sich selbstverständlich dagegen, die Kosten für den Systemwechsel alleine zu tragen. Die Investitionen für mehr Platz, mehr Licht, mehr Auslauf in deutschen Ställen wollen Landwirte nur dann tätigen, wenn sie deutlich mehr Geld für ihre Produkte erhalten. Ist ja logisch! Ohne staatliche Vorgaben und entsprechende Fördermaßnahmen wird das wohl nicht gehen. Denn, so die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner: „Höhere Standards, die kosten die Landwirte viel Geld, aber diese Mehrkosten bekommen sie aktuell an der Ladenkasse in der Regel nicht ausgeglichen.“

Studie zu Finanzierung des milliardenschweren Umbaus der Nutztierhaltung vorgelegt

Eine Expertenkommission sollte erarbeiten, wie das System der Milch- und Fleischproduktion so umgebaut werden kann, dass weder Bauern, noch Verbraucher über die Maße belastet werden, und es den Tieren dennoch deutlich besser geht als derzeit.

Herausgekommen sind drei verschiedene Finanzierungsoptionen – und sie haben es in sich. Denn die Zeit des Billigfleisches geht vorbei. Wann und wie ist noch nicht klar, aber die Leitlinien sind gesetzt.

Wie soll der Systemwechsel in der Massentierhaltung bezahlt werden?

Drei Vorschläge zur Umsetzung und Finanzierung des Systemumbaus liegen auf dem Tisch.

1. Eine Verbrauchssteuer (Tierwohlabgabe).

Eine Verbrauchssteuer – wie bei Kaffee oder Tabak – von 47 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Milchprodukte, 15 Cent pro Kilo für Käse und Butter. Die Mehrkosten wären an die Menge (Kilogramm) des Produkts gebunden. Die Verbrauchssteuer ist die von der Borchert-Kommission favorisierte Option. Sie würde pro Jahr etwa 4 Milliarden Euro bringen.

Nachteile: Hoher bürokratischer Aufwand. Eventuell europarechtliche Probleme, wenn die Einnahmen ausschließlich deutschen Landwirten zu Gute kämen. (Benachteiligungsverbot)

2. Eine höhere Mehrwertsteuer.

Für Fleisch, Milch und Eier liegt die Mehrwertsteuer bislang bei 7 Prozent. Künftig könnten es 19 Prozent werden. Das wäre eine schnelle, einfach umzusetzende Finanzierung mit geringen Verwaltungsaufwand. Diese Option favorisieren die Berater des Landwirtschaftsministeriums. So könnten jährlich rund 6 Milliarden Euro eingenommen werden.

Nachteile: Die Steuer richtet sich nach der Höhe des Preises. So würde zum Beispiel ein Kilo teures Biofleisch (– das auch jetzt schon die besten Haltungsbedingungen hat –) höher belastet als ein Kilo Billig-Fleisch.

3. Tierwohl-Soli.

Eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer, also eine Art Tierwohl-„Soli“. Das wäre für die Steuerverwaltung ziemlich leicht umzusetzen.

Nachteile: Auch Vegetarier und Veganer müssen mitzahlen.

Mehr Tierwohl in deutschen Ställen – wie geht es nun weiter?

Der Bauernverband fordert nun schnelle Entscheidungen. Viele Landwirte stünden in den Startlöchern für den Umbau, verlangten aber Planungssicherheit. Auch Umweltverbände drängen auf schnelle Lösungen. Der Bundestag hatte die Regierung aufgefordert, noch bis zur Wahl am 26. September eine Strategie mit Finanzierungsvorschlägen vorzulegen. Und auch die Agrarminister der Länder sind im Prinzip mit an Bord.

Klöckner muss liefern – Eile ist geboten

Über die nächsten Schritte will die Ministerin nun erstmal im Bundestag und mit den Ländern beraten. Das kann natürlich dauern, und das wiederum liegt weder im Interesse der Bauern und Verbraucher noch im Interesse der Politik. Denn werden die Vorschläge der Borchert-Kommission nicht umgesetzt, wird es wohl über kurz oder lang zu weiteren gesetzlichen Verschärfungen kommen, zum Beispiel einem strengeren Tierschutzgesetz. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit der Nutztierhalter in Deutschland verschlechtern – und das Tierwohlproblem ins Ausland verlagern.

Die realistischen Kosten für eine gute Tierhaltung liegen höher als uns lieb ist

Fleisch soll keine Luxusware werden, das betont auch noch mal die Landwirtschaftsministerin. Aber unsere Nutztiere haben ein Recht mehr Platz, mehr Bewegung, besseres Futter und mehr Licht und Luft. Mehr Tierwohl gibt es eben nicht zum Nulltarif – für keinen!

Eure Yvonne

Beitragsbild von Kat Jayne von Pexels
Bild Huhn von cottonbro von Pexels