Endlich! Ein staatliches, verpflichtendes Tierwohllabel kommt!
Die Sommerpause ist hiermit offiziell beendet – und ich starte mit einer guten Nachricht: Wir werden nun endlich ein staatliches Tierwohllabel erhalten. Nach zehn Jahren Planung wird es jetzt nun konkret. Natürlich ist eine solche verpflichtende Kennzeichnung längst überfällig. Aber besser spät, als nie. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen will die Pflicht-Kennzeichnung noch 2022 einführen. Es ist dringend nötig, denn obwohl zwei von drei Verbrauchern in Umfragen sagen, dass sie mehr Geld für Fleisch aus besserer Tierhaltung zahlen würden, entscheiden sich bei weitem die meisten an der Ladentheke dann doch für das günstige anonyme Billigfleisch aus der industriellen Fleischproduktion. (Ich finde, ja, dass die auch komplett umgekrempelt gehört, da wir Tieren als fühlende Wesen ein Mindestmaß an Würde und Leben zugestehen sollten, bevor wir sie essen. Aber das nur nebenbei.)
Tierwohllabel – Transparenz über Tierhaltung
Zukünftig wird zumindest bei Schweinefleisch bald für alle Kunden sichtbar sein, wie das Tier gehalten wurde, das er oder sie verzehrt. Später auch für Rindfleisch und Geflügel. Vielleicht entscheidet sich dann doch mehr Kunden und Kundinnen für ein Produkt aus einer besseren Tierhaltung. So könnten wir als Verbraucher durch unser Kaufverhalten dafür sorgen, dass die Haltung von Nutztieren insgesamt höhere Standards erreicht. So, wie das schon einmal bei den Eiern geklappt hat. Nach der Haltungskennzeichnung für Eier sank die Zahl der verkauften Eier aus Käfighaltung rapide.
Zu dem Thema habe ich schon mehrmals hier auf dem Blog geschrieben. Die Beiträge findet Ihr hier:
https://www.yvonnewillicks.de/2018/06/19/tierhaltungskennzeichnung-reicht-das-immer-noch-nicht/
https://www.yvonnewillicks.de/2021/03/26/machbarkeitsstudie/
https://www.yvonnewillicks.de/2018/07/17/edeka-verramscht-haehnchenschenkel-fuer-15-cent/
https://www.yvonnewillicks.de/2020/09/25/gefluegel-teil-2/
Bei teurer Bio-Haltung ist Tierwohl eingepreist
Mir ist schon klar, dass sich nicht jeder Verbraucher teures Biofleisch leisten kann, das für das Tierwohl die höchsten Standards anlegt und daher auch deutlich mehr kostet als Fleisch aus der konventionellen Haltung. Aber mit jedem bisschen mehr Komfort in genau diesen konventionellen Ställen, ist dem Großteil unserer Nutztiere geholfen, denn nach Biostandards halten nur die wenigsten Landwirte ihre Tiere. Bei Geflügel waren es 2021 gerade mal 2,6, bei Rotfleisch, also Schwein, Rind, Lamm, Schaf und Kalb, nur 3,6 Prozent.
Pflichtkennzeichnung für mehr Tierwohl auf dem Teller
Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist nun derjenige, der das Pflichtkennzeichen für die Haltungsform einführen möchte. Danach soll das Kennzeichen aus fünf Stufen bestehen. Die gesetzlichen Mindeststandards bei der Tierhaltung erhalten die erste Kategorie „Stall“. Bei der zweiten Stufe „Stall+Platz“ haben die Tiere 20 Prozent mehr Platz. Bei der dritten Kategorie „Frischluftställe“ ist mindestens eine Seite des Stalls offen. In der vierten Stufe „Auslauf/Freiland“ können die Tiere mindestens acht Stunden täglich raus. Die fünfte Stufe des Modells ist für Biobetriebe reserviert.
Die fünf Haltungsstufen des geplanten Labels | |
Stall | Es werden nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. |
Stall + Platz | Die Tiere bekommen 20 Prozent mehr Raum. |
Frischluftställe | Die Ställe sind mindestens an einer Seite offen. |
Auslauf/Freiland | Die Tiere dürfen mindestens acht Stunden pro Tag ins Freie. |
Bio | Es gibt größere Auslaufflächen und noch mehr Platz im Stall. |
Mehr Tierwohl kostet mehr Geld
Özdemir will die landwirtschaftliche Tierhaltung mit diesem Modell „zukunftsfest“ machen. Denn Landwirte müssten ein gutes Einkommen haben und Tiere gute Lebensbedingungen, so der Minister bei der Vorstellung des Modells. „Das Haltungskennzeichen macht die Investitionen der Landwirte für mehr Tierwohl sichtbar“, sagte Özdemir. „Wer Tiere nutzt, hat auch die Pflicht, sie gut zu halten.“
Tierwohlkennzeichnung – verpflichtend oder freiwillig?
Das Besondere an dem neuen Kennzeichen: Es soll verpflichtend sein. Zwar wird schon seit rund zehn Jahren über ein staatliches Haltungskennzeichen diskutiert, Pläne gab es bislang allerdings nur für ein freiwilliges Label. Das von Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) geplante, unverbindliche Tierwohlkennzeichen hatte vergangenes Jahr im Bundestag keine Mehrheit gefunden.
Freiwillige Haltungslabel von Handel und Industrie gibt es bereits
Andere – nicht staatliche – freiwillige Haltungskennzeichnungen gibt es bereits seit mehreren Jahren.
- Das 2019 von verschiedenen Supermarktketten eingeführte vierstufige Label “Haltungsform“. Es unterscheidet: Stallhaltung, Stallhaltung Plus, Außenklima und Premium.
- Die Produktkennzeichnung der “Initiative Tierwohl” ist eine Gemeinschaftsaktion von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmittelhandel und belohnt Landwirte, die über das gesetzliche Maß hinaus etwas für das Wohl ihrer Tiere tun.
- Der Deutsche Tierschutzbund vergibt das zweistufige Label “Für mehr Tierschutz”, das wie der Name schon sagt, nur vergeben wird, wenn die Halter ihren Tieren mehr Platz, mehr Beschäftigung und mehr Licht zur Verfügung stellen.
- Mit dem Bio-Siegel werden gute Haltungsstandards ausgezeichnet, da Bio-Betriebe generell strenge Richtlinien bezüglich der Tierhaltung haben.
- Das „Neuland“ kennzeichnet bereits seit 1988 Fleisch aus tiergerechter Haltung und ist mit den Bio-Haltungsstandards vergleichbar.
Mehr Platz fürs Schwein – die Kunden haben es in der Hand!
Kritik auf Özdemirs Pläne kommt von mehreren Umwelt- und Verbraucherverbänden. Greenpeace etwa beklagt, dass „Aspekte wie Transport, Schlachtung oder Tiergesundheit“ bei der Kennzeichnung nicht berücksichtigt werden. Foodwatch kritisiert, dass der Fokus auf die Haltung andere Probleme bei der Fleischproduktion überschatte. Der Bauernverband verlangt bereits Nachbesserungen. Klar ist, ein solches Kennzeichen ist nicht ohne Widerstand und ohne Verluste durchzusetzen. Klar ist auch: Mehr Tierwohl kostet mehr Geld. Und da derzeit noch alle Tierwohl-Label freiwillig sind, entscheiden sich viele Verbraucher für günstiges nicht gekennzeichnetes Fleisch. Das könnte sich mit dem verpflichtenden Kennzeichen – so die Hoffnung – nun bald ändern.
Eure Yvonne
📸 Beitragsbild von Samira von Pexels
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